Unter Beteiligung von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze fand am 22. März die öffentliche JRF-Veranstaltung „Industrie und Umwelt – Quo vadis NRW?“ statt. Fünf Vorträge aus den JRF-Instituten DST, ILS, IUTA, WI und ZBT und bildeten den Rahmen für zwei Podiumsdiskussionen, zunächst mit den WissenschaftlerInnen selbst, anschließend mit VertreterInnen aus der Praxis. Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer (Wuppertal Institut) ging in seinem Vortag auf die Herausforderungen und Szenarien der energieintensiven Industrie NRWs im Rahmen einer langfristigen Klimapolitik ein. NRW ist der größte Standort energieintensiver Grundstoffindustrien in Deutschland und in Europa. Vor dem Hintergrund des Megatrends Dekarbonisierung hat der Klimaschutzplan in NRW einen Diskurs mit der energieintensiven Industrie ausgelöst. Um die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen, bedarf es demnach verbesserter Low Carbon Technologien und Technologiesprüngen. Professor Lechtenböhmer zeigte mögliche Schritte langfristig orientierter Klimaschutz- und Innovationspolitik mit der energieintensiven Industrie in NRW auf. Ein bereits geplantes Low-Carbon-Zentrum NRW könnte dabei ein Schritt sein.

Impressionen der Veranstaltung:

Frank Osterhage vom ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung ging der Frage nach, wie der Weg zu einer nachhaltigen Raumentwicklung sein kann und zeichnete als eine Möglichkeit die Verschiebung von suburbanen Gewerbegebieten zur urbanen Produktion auf. Wo einst getrennte Gebiete für Wohnen, Industrie und Handel ausgewiesen wurden, erlauben heute veränderte Produktionsverfahren und die Digitalisierung eine kleinteilige und dezentrale Produktion, die demnach teilweise auch in (Innen-) Städten erfolgen kann. Herr Osterhage rief dazu auf, das Verhältnis zwischen Produktion und Stadt neu zu denken. Urbane Produktion kann eine Wiederentdeckung erfahren und zu einem wesentlichen Baustein für eine nachhaltige Stadt werden.

Dr. Rupert Henn vom DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme skizzierte den Beitrag der Binnenschifffahrt zum Umweltschutz. Der Energiebedarf eines Binnenschiffs ist im Bereich Güterverkehr bereits jetzt verhältnismäßig niedrig. Er liegt unter jenem von LKW, deutlich unter dem eines Flugzeugs und ungefähr auf dem Niveau eines Güterzuges. Die Binnenschifffahrt arbeitet gleichwohl an alternativen Antrieben, um neue Abgasvorschriften einzuhalten. Schiffe mit Brennstoffzellenantrieb scheinen da eine Möglichkeit. Die größte Herausforderung stellt dabei die fehlende Wasserstoffinfrastruktur dar. Alternativ können elektrisch betriebene Binnenschiffe zum Einsatz kommen, wobei der zusätzliche Strombedarf eine Schwierigkeit darstellt.

Prof. Dr. Angelika Heinzel vom ZBT – Zentrum für BrennstoffzellenTechnik stellt in ihrem Vortrag die ambitionierten Ziele der Bunderegierung vor, wonach der Erneuerbare-Energien-Anteil am Bruttostromverbrauch bis 2050 bei 80 Prozent liegen soll. Allerdings stellt die fluktuierende Verfügbarkeit das Hauptproblem dar. Es ergibt sich neben eines Tagesspeicherbedarfs (vom Tag in die Nacht) ein saisonaler Speicherbedarf (von Sommer in den Winter). Um die Spitzenlasten und die saisonale Speicherung bewerkstelligen zu können, gibt es verschiedene Lösungsansätze: Unter anderem Stauseen, die durch Großbatterien ergänzt werden oder indem Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen gespeichert wird. Auch dezentrale Lösungen für Privathaushalte mit Solaranlagen und Speicheranlagen sind eine Möglichkeit. Batterien, Brennstoffzellen und Elektrolyseverfahren eint, dass sie elektrochemische Energiewandler sind, die emissionsfrei arbeiten. NRW ist maßgeblich an der Weiterentwicklung solcher Technologien und Verfahren über diverse Forschungsprojekte und in Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie beteiligt.

Dr. Stefan Haep vom IUTA – Institut für Energie- und Umwelttechnik zeigte anhand von vier Beispielen, wie mit Umwelttechnik Geld verdient werden kann: Zum einen mit der Entwicklung eines chemischen Energiespeichers zur Integration in einem stationären Brennstoffzellensystem, zum anderen durch die Optimierung von Druckluftfiltern, die sich durch hohe Abscheideleistung bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz auszeichnen, des Weiteren mit der Entwicklung einer Sicherheitsdemontagewerkbank für quecksilberhaltige Leuchtstoffröhren und zuletzt mit Power to Fluid, einer Verfahrensoptimierung bei der Methanolsynthese.

Bei der Podiumsdiskussion mit den PraxisvertreterInnen wurden Aspekte aus den Impulsvorträgen aufgegriffen und gemeinsam mit dem Publikum diskutiert. Als PodiumsteilnehmerInnen waren

Dr. Christian Ohm, Vorstand Grillo-Werke AG, Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen, Klaus Krumme, Zentrum für Logistik & Verkehr der Uni Duisburg-Essen sowie die Landtagsabgeordneten Dr. Ruth Seidl und Dr. Stefan Berger vertreten. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Ragnar Warnecke vom VDI.

Beim anschließenden Empfang konnten sich die Gäste mit den WissenschaftlerInnen und den PraxisvertreterInnen austauschen.

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